Kommunikation

„Wir sind für Sie da“ – über Plattitüden, Kriegsgewinnler und selbstlose Selbstdarsteller

Mein Fitness-Center ist „für mich da“ – hmmm, nein, ihr seid behördlich geschlossen. Mein Energie-Versorger ist „für mich da“ – na hoffentlich... Und jedes einzelne Hotel, in dem ich die letzten 15 Jahre übernachtet habe... Die Flut an „Wir sind für Sie da“-Mails ist ein digitaler Tsunami in meiner Inbox. Was ich daraus lerne? 1. Ich sollte das eine oder andere Mal vielleicht eine Fake-E-Mail-Addy angeben und 2. finde ich aus Kommunikationsperspektive die Kunden-Corona-E-Mails zu 95% vollkommen entbehrlich und zumeist kontraproduktiv. Es ist der falsche Zeitpunkt für Plattitüden, es ist der falsche Zeitpunkt fürs Verkaufen und es ist der falsche Zeitpunkt für „selbstlose“ Selbstdarsteller. Stiftet mein E-Mail, mein Posting, mein Beitrag einen sinnvollen Nutzen? Wenn ja, dann raus damit. Wenn nein, dann lass es sein. Es kommt eine Zeit nach Corona, da können wir dann wieder Kommunikations-, Marketing- und Sales-Maschinerien hochfahren und da wär’s dann gut, wenn wir ein positives, sympathisches Image hätten...und nicht das eines gescheiterten Kriegsgewinnlers. 

 

Der wundersame Aufstieg des Dilettantismus – der neue Mut zu Low-Key in einer High-End-World

Der Pressesprecher schießt die Fotos vom Event und postet sie sofort. Der Livestream von der Eröffnung wird mit dem iPhone gedreht. Den 60-Minuten-Podcast hostet ein Manager ohne Sprechausbildung. Alles ohne Schnitt. Unsere Medien sind voll mit Amateurvideos, Amateurfotos, Amateur-Audiofiles. Parallel dazu wird alles professioneller und aufwändiger: Der Werbespot auf Hollywood-Niveau, das Porträt-Shooting à la Vogue-Cover... Bei allem Profi-Glamour hat das Hemdsärmelige, Ehrliche...Dilettantische...noch immer oder eher wieder seinen Platz gefunden. Marketing- und PR-Pros wissen dies mittlerweile smart einzusetzen und haben den Mut, Low Key zu gehen in unserer High-End-World. Nur da stellt sich dann die Frage: Warum wohl funktioniert das? Zum einen, weil wir in den Tiefen unserer Herzen das Ehrliche, Echte und Unvollkommene lieben, zum anderen, weil genau diese Art der Kommunikation Vertrauen schafft und Vertrauen eine der höchsten Währungen in der Medienwelt von 2020 ist. Das heißt jetzt nicht, dass alles Professionelle schlecht und alles Dilettantisch-Gemachte gut ist. Nein, aber eine gute Message und wertvoller Content braucht nicht immer die ganze Maschinerie. 

 

"Den kann ich dir ans Herz legen..." - über Micro-Influencer, Meinungsbildner und Mundpropaganda

Ärzte, Handwerker, Anwälte – alles Berufsgruppen, die selten auf PR zurückgreifen. Ihr Geschäft floriert dennoch...die Patienten rennen dem Doc die Tür ein, die Auftragsbücher des Tischlers sind voll, dabei hat er nicht mal ‘ne Website. Alles Mundpropaganda...ein Rezept, das Jahrhunderte alt ist...wenn nicht Jahrtausende, denn die Wandmalereien in Pompeji muss ein und dieselbe Handwerks-Company ausgeführt haben, der Platzhirsch am Fuße des Vesuvs... Die schlaue digitalisierte Welt hat sich dieses Konzept zu Nutze gemacht und hat die „Influencer“ erfunden. Echte Menschen empfehlen mein Produkt – total authentisch. Je mehr Follower, desto besser. So hörte man gern von Kunden-Seite: Wir arbeiten nur mit Influencern ab 15k Follower...No...Nämlich genau hier geht die Wirkung verloren. Der Bezug zum „echten Menschen“ ist zu weit, die Glaubwürdigkeit dahin. Drum heißt der neue Trend...Micro-Influencer...oder dann halt Nano...was kommt nach Nano...Pico...Femto (ok, ich gebe zu, das musste ich jetzt googeln)...also ist dann „ich leite dir auf WhatsApp den Kontakt zu meinem Physio weiter”, Influencer-Marketing? Die Moral von der Geschicht‘: Egal in welchem Zeitalter wir leben, Kommunikation und die Wirkung von Kommunikation folgt den selben Gesetzen...in Pompeji  70 n. Chr. und in Wien im Jahr 2019.

Das Issue zum Asset machen - warum Perfektion vollkommen überflüssig ist

Ich kann sie nicht mehr hören – die Gründe und Ausreden, warum irgendwas nicht geht. Zu alt, falsche Technologie, da fehlt eine Funktion...egal was es ist. Das vermeintliche Defizit wird aufgeblasen wie die sprichwörtliche Mücke zum Elefanten. Ja, vielleicht hat das Produkt Optimierungspotenzial, ja, vielleicht wäre der Zeitpunkt für die Veröffentlichung vor einem Jahr besser gewesen...jajaja...na und? Wann ist schon das Timing optimal, das Produkt wirklich perfekt? Zumeist nie. Aber deswegen gleich ganz auf die Kommunikation zu verzichten...ganz falsch. Ich empfehle sogar das Gegenteil: das Issue zum Asset machen. Es mutig ansprechen. Das bringt mehr als es zu leugnen, es zu verstecken oder eben gar darauf zu verzichten. Das Streben nach Perfektion ist in der Kommunikation – wie in vielen anderen Bereichen – vollkommen überbewertet und überhaupt nicht notwendig. Der CEO, der vielleicht nicht der beste Ökonom ist, aber ein großer Visionär und ein fantastischer People-Manager, das Start-up mit der brillanten Idee und der mangelnden Umsetzung, der Spätberufene, der mit 40 seine Karriere als Schauspieler startet...das mögen vielleicht alles Issues sein, aber es sind alles auch Assets.

 

Die Legende vom Sommerloch - und warum man gerade dann kommunizieren soll, wenn es niemand tut

Es ist das Monster von Loch Ness der Medienbranche: das Sommerloch. Die meisten glauben daran, es ranken sich Mythen und Legenden darüber, irgendwie freuen sich auch alle drauf und in Wahrheit existiert es nicht. Ja, sorry, dass ich das sagen muss...Nessie gibt’s nicht und das Sommerloch auch nicht. Oder anders gesagt, ich steh total auf Kommunikation im Sommer. Warum? Weil so viele darauf verzichten – aus Angst diese 20 Prozent der Menschen, die gerade in Grado am Strand liegen, in El Arenal den Sangria-Kübel ordern oder in den Yachthafen von Marbella shippern, zu verpassen. Aber: Die Journalisten brauchen auch in dieser Zeit Stoff zum Schreiben, die Leute checken ebnso ihren Facebook-Account und wollen in den Sozialen Medien unterhalten werden. Die Erde dreht sich weiter...auch im Juli und im August. Ja, ich verzichte gern auf die paar Leute, die grad in die Unendlichkeit des Meeres blicken oder am Pool die Liege mit Handtüchern belegen, denn die anderen, die Daheim-Gebliebenen, die haben auch ein Recht auf gute Geschichten...und sie werden sie umso mehr lieben und achten, wenn sie im Sommer erscheinen...Happy Holidays!

Über das bedrohliche Blinken des Cursors und die Kontinuität in der Kommunikation

Manchmal fällt einem partout nix ein. Gar nix. Man sitzt vor dem virtuellen weißen Blatt und der Cursor blinkt bedrohlich. Das kommt mitunter vor. Ich denke mal bei jedem noch so kreativen Menschen und versiertem Schreiber. Alles scheint gesagt. Darf man dann darauf verzichten? Guten Gewissens den Blog diese Woche auslassen? Den Newsletter um ein paar Tage verschieben? Das Update Update sein lassen? Eigentlich: Nein. Da hat man seine Leserschaft mit viel Einsatz und Energie aufgebaut. Eine Leserschaft, die in gewohnten Abständen Neuigkeiten erwartet. Wenn man diese Erwartungshaltung nun nicht erfüllt, gefährdet man eigentlich nur seine eigene Arbeit. Denn die Kommunikation lebt von Kontinuität. Die Kontinuität lässt einen nicht in Vergessenheit geraten. Die Kontinuität manifestiert meine Rolle. Die Kontinuität schafft Glaubwürdigkeit. Kommunikation funktioniert nicht als einmaliger Big Bang, es ist kein kurzes Aufflackern, keine Alle-Heiligen-Zeiten-Geschichte. Kommunikation funktioniert nur dann, wenn sie laufend – kontinuierlich – passiert. Aber dann umso besser. Also nehmen wir das Blinken des Cursors nicht als Bedrohung wahr, sondern er zählt nur den Countdown herunter...zur brillanten Idee, die mir sicher gleich einfallen wird...ganz gleich...versprochen!