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„Wir sind für Sie da“ – über Plattitüden, Kriegsgewinnler und selbstlose Selbstdarsteller

Mein Fitness-Center ist „für mich da“ – hmmm, nein, ihr seid behördlich geschlossen. Mein Energie-Versorger ist „für mich da“ – na hoffentlich... Und jedes einzelne Hotel, in dem ich die letzten 15 Jahre übernachtet habe... Die Flut an „Wir sind für Sie da“-Mails ist ein digitaler Tsunami in meiner Inbox. Was ich daraus lerne? 1. Ich sollte das eine oder andere Mal vielleicht eine Fake-E-Mail-Addy angeben und 2. finde ich aus Kommunikationsperspektive die Kunden-Corona-E-Mails zu 95% vollkommen entbehrlich und zumeist kontraproduktiv. Es ist der falsche Zeitpunkt für Plattitüden, es ist der falsche Zeitpunkt fürs Verkaufen und es ist der falsche Zeitpunkt für „selbstlose“ Selbstdarsteller. Stiftet mein E-Mail, mein Posting, mein Beitrag einen sinnvollen Nutzen? Wenn ja, dann raus damit. Wenn nein, dann lass es sein. Es kommt eine Zeit nach Corona, da können wir dann wieder Kommunikations-, Marketing- und Sales-Maschinerien hochfahren und da wär’s dann gut, wenn wir ein positives, sympathisches Image hätten...und nicht das eines gescheiterten Kriegsgewinnlers. 

 

Privacy please – über die Disharmonie von Badehosen und Quanten-Computing

Der Schnappschuss vom Tauchurlaub auf Curacao, das Familienfoto mit Mickey Mouse in Anaheim, das Bild vom jüngsten Zahnarzt-Besuch – bei manchen Managern, Promis und ja, auch Politikern scheint die Privacy gänzlich abgeschafft zu sein. Sie nutzen ihr Privatleben, ihr Umfeld und ihre Freizeitaktivitäten als eigenes Kommunikationstool. Was einst mit gelegentlichen Homestorys startete und Influencer zu ihrem Geschäftsmodell entwickelt haben, bringt überambitionierte social-media-affine Manager zum Positionierungs-Gau. „Ich hab auf kein anderes Posting je mehr Likes gehabt“ ...“Na dann muss es ja richtig sein“ ...hmmm, Likes sind allerdings nicht Selbstzweck...nur so nebenbei. Wenn ich mich als kompetenter Experte, ernstzunehmender Manager oder professioneller Politiker positionieren möchte, sollte ich eventuell auf das dritte private LinkedIn-Posting diese Woche verzichten. Denn sonst steh ich ganz schnell in der falschen Ecke und könnte Mühe haben, da wieder raus zu kommen, weil mir dann schlicht die Glaubwürdigkeit abhanden kommt, wenn ich mal wieder die nächsten Quartalszahlen präsentieren oder Quanten-Computing erklären muss. Ja, dem einen oder anderen würde es guttun, etwas Menschlichkeit zu zeigen, und dann ist der gelegentliche Blick durchs Schlüsselloch in Vorstandsetagen ein spannendes Element. Aber generell gilt dennoch: Privacy please!